1845 in Wuppertal


Gründung der ersten freigeistigen Gemeinschaft – Grundstein für den modernen Humanismus

Wallfahrten erhitzen seit jeher die Gemüter. Luther nannte sie „Bescheißerei“ und Calvin sprach vom „Götzendienst“. Im Jahre 1810 schließlich erhielt auch Trier eine „Reliquie“, die bis in die heutige Zeit regelmäßig Ziel solcher Wallfahrten ist. Es handelt sich um den sogenannten „heiligen Rock“ Jesu Christi, seinerzeit übliche Oberbekleidung, welches angeblich die Mutter von Kaiser Konstantin von einer Palästina-Reise mitbrachte.große Wallfahrt

Das Beachtliche geschah im Jahre 1844, als der katholische Pfarrer Johannes Ronge öffentlich gegen diesen „Aberglauben“ protestierte und postwendend exkommuniziert wurde. In vielen deutschen Landen schlossen sich weitere Pfarrer und Gemeinden dem öffentlichen Protest an. So entstand die „Los-von-Rom“-Bewegung, die auch den Beifall liberaler Protestanten fand in zunächst Schlesien, Sachsen und den Rheinlanden.

In Elberfeld gründeten am 15. Februar 1845 „freigesinnte“ Katholiken eine eigenständige Gemeinschaft mit bald über 300 Mitgliedern. Während draußen vor dem Versammlungssaal der „römisch-katholische Pöbel“ heftig störte, wurde drinnen der Naturwissenschaftler und Gymnasiallehrer Hermann Körner zum ersten Vorsitzenden gewählt. Die Gründung einer „Rom-freien“ Kirche war vollzogen. Nicht „römisch-katholisch“, sondern vom Vatikan unabhängig sollte diese Gemeinschaft sein; sie nannten es „deutsch-katholisch“. Im Rheinland gab es bald Hochburgen in allen stärker industrialisierten Gebieten: Barmen, Elberfeld, Krefeld, Dortmund, Remscheid, Unna, Witten.

DK-GrundsätzeDie ersten Freigeister traten bereits für die Trennung von Schule und Kirche und generell für die Verweltlichung des Staates ein. Getreu dem Motto „Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube“ wurde jede Art von dogmatischer Bindung abgelehnt:

*  völlige geistige Freiheit statt Dogmen,
*  uneingeschränkter Gebrauch der Vernunft und
*  Toleranz statt Einheitlichkeit.

Die religiös-politische Bewegung der Deutsch-Katholiken schaltete sich mit sozialpolitischen Forderungen aktiv in die Auseinandersetzungen um die Gründung eines gesamtdeutschen Nationalstaates ein, der damals von den konservativen Fürstenhäusern abgelehnt wurde.

In Wuppertal nahm vor 170 Jahren die freireligiöse Bewegung einen Anfang, die sich bald ganz von religiösen Inhalten lossagte und deren Ideen in der „Freireligiösen Landesgemeinschaft NRW“ fortlebten. Seit 1996 heißt dieser Zusammenschluss „Humanistischer Verband Nordrhein-Westfalen“, der auch in Wuppertal seit vielen Jahrzehnten aktiv ist, weiterhin gegen Aberglauben protestiert und seit Jahrzehnten Alternativen zu religiösen Ritualen und Festen anbietet.

geschichteQuellen:
Kampe, Ferdinand, Geschichte der religiösen Bewegung der neueren Zeit, Leipzig 1852
Wikipedia-Stichworte: Deutschkatholizismus; Johannes Ronge; Freireligiöse Bewegung; Humanistischer Verband