Wir wissen, dass die Menschen schon seit Urzeiten – lange vor dem Christentum – bestimmte Rituale und Lebensfeiern praktizierten, die ihren Sinn und Ursprung im menschlichen Miteinander sowie in der stetigen Auseinandersetzung mit der Natur hatten.
Den christlichen Missionaren und Eiferern ist es nur gelungen, die Menschen mit Feuer und Schwert zum Christentum zu bekehren. Anschließend wurde oft auch brutal ihre Kultur zerstört und den rituellen Feiern eine andere Deutung gegeben. So propagierten sie z.B.
* anstelle des Festes zur Winter-Sonnenwende das Weihnachtsfest oder
* das Osterfest zur Zeit des Frühlings / der Aussaat.
Als sie so die Menschen „bekehrt“ hatten, gingen die Missionare dazu über, den Lebensfeiern der Menschen christliche Symbolik überzustülpen. So die Taufe bei der Geburt, Firmung und Konfirmation, die Trauung (in Weiß!), bis hin zum Lebensende, wo man des christlichen Beistandes angeblich bedurfte, um nicht in der „Hölle“ und im „Fegefeuer“ die „ewige Qualen“ zu erleiden.
So sind den Menschen im Laufe von 2 Jahrtausenden Ängste und Furcht eingeflößt worden, von denen sie sich heute – im Zeitalter der Aufklärung – langsam befreien, und in der die Vernunft und die Erkenntnisse der Naturwissenschaften mehr und mehr den Aberglauben verdrängen.
Freidenker und weltliche Humanisten haben schon im 19. Jh. – vor allem in der Arbeiterbewegung – damit begonnen, Aufklärung zu betreiben und den Menschen eine selbstbewusste und selbstbestimmte Lebensperspektive zu eröffnen. Einer der Leitsätze war schon damals: „Die Religion ist das Opium des Volkes“ (K. Marx) oder „Glauben ist stets Nicht-Wissen“!
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts – vor allem nach dem 1. Weltkrieg und dem Sturz des Kaiserreichs – wurde den Herrschenden auch die Akzeptanz nicht-religiöser Lebensauffassungen abgerungen. So entstanden nach 1918 z.B. „Weltlichen Schulen“, die vor allem von den Kindern der fortschrittlichen Arbeiterbewegung besucht wurden und ganz bewusst auf eine nicht-religiöse Bildung und Erziehung setzten.
Auch andere weltlich-humanistische Feierrituale entstanden in dieser Zeit, z.B. die Jugendweihe anstelle der Firmung bzw. Konfirmation, an der damals in manchen Städten mehr Jugendliche teilnahmen als an den christlichen Feiern. Auch die Kultur alternativer Feiern zur Namensgebung, zur Hochzeit und zum Totenabschied haben ihren Ursprung in jenen 20er und 30er Jahren. Die Nazis haben nach der Machtergreifung auch diese fortschrittliche Bewegung zerschlagen und sind mit den Kirchen sogenannte „Konkordate“ (Staatsverträge) eingegangen, die z.T. bis heute nicht aufgehoben sind.
Nach dem 2. Weltkrieg haben die Freigeister und Freidenker diese Kultur wieder neu belebt. Leider wurde durch die Besatzungsmächte die Neugründung des Freidenkerverbandes zunächst verhindert, was dazu führte, dass sich die Bewegung spaltete. Das war mit einer der wesentlichen Gründe dafür, dass diese Bewegung nicht mehr so erstarkte wie vor dem 2. Weltkrieg.
Es entstanden neben dem Freidenkerverband weitere freireligiöse, freigeistige und humanistische Vereinigungen. Diese verfolgen bis heute in weiten Teilen vergleichbare Zielsetzungen. So benannte sich die freigeistige Landesgemeinschaft NRW 1993 in „Humanistischer Verband NRW“ um, behielt damit den Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ und ist seither rechtlich formal den Großkirchen gleichgestellt. Von tatsächlicher Gleichstellung kann natürlich bis heute keine Rede sein.
Der HVD-NRW hat mit seinem Angebot an Sprechern und Zeremonienleitern für weltliche Lebens- und Trauerfeiern Beachtung gewonnen, befördert natürlich auch durch die anhaltende Abwendung der Menschen vor allem von den christlichen Großkirchen. In NRW bietet der HVD folgende religionsfreie Feierrituale an:
– Namensfeiern zur Geburt (anstelle einer Taufe)
– Jugendfeier (früher Jugendweihe)
– Weltliche Trauungszeremonien
– Weltliche Trauerfeiern
– Toten-Gedenkfeiern
– Feiern zum Jahreszeiten-Wechsel (Sonnenwende).
Neben einer persönlich gehaltenen Rede kommen an Ritualen in Frage:
Namensfeier
Wunschmusik, symbolische Aufnahme des neuen Erdenbürgers in die menschliche Gemeinschaft durch „Kreisbildung“, Steigenlassen von Luftballons mit guten Wünschen für den neuen Erdenbürger.
Jugendfeier
Seit vielen Jahren finden in auch Wuppertal am 2. Sonntag im Mai traditionell Jugendfeiern statt, die bisher gemeinsam von den Freidenkern Wuppertal und dem HVD Wuppertal angeboten werden. Dazu gibt es Vorbereitungswochenenden, wo die Jugendlichen sich mit eigenen Beiträgen auf die Feier vorbereiten. So ist dieses Fest inzwischen zu einer Feier der Jugendlichen selbst geworden, bei der auch die Verwandtschaft mit einbezogen wird.
Weltliche Trauungszeremonie
Vor allem hier haben in den letzten Jahren – meist über das Internet – Wünsche nach alternativen Zeremonien stark zugenommen. Neben einer persönlich gehaltenen Rede – auch mit durchaus lustigen Elementen –werden hier Elemente wie Entzündung einer Hochzeitskerze, Eheversprechen, Ringe- und Kusstausch angeboten.
Darüber stellt der HVD-NRW auch Urkunden aus, z.B. für das Stammbuch aus – verbunden mit dem Dienstsiegel -, was die Seriosität dieser Rituale unterstreicht.
Weltliche Trauerfeiern
Hier liegt zur Zeit noch eindeutig der Schwerpunkt der Arbeit. Neben einer persönlich gehaltenen Abschiedsrede ist es Ehrenkodex, dass keine christlichen Lieder vorgesungen und keine Gebete durch uns gesprochen werden. Klassische oder individuelle Musikwünsche berücksichtigen wir nach Möglichkeit, und statt eines Gebetes findet man immer ein passendes Gedicht, z.B. von Goethe, Hesse oder anderen Freigeistern.
Wenn jedoch einzelne Personen für sich unbedingt ein Gebet haben müssen, wird dieses in der Regel toleriert. Es ist zu bedenken, dass wir uns z.Zt. noch in einer Übergangsphase befinden, wo die Menschen sich allmählich an ein glaubensfreies Leben gewöhnen. Und da müssen wir es noch eine Zeitlang „aushalten“, dass die lange Tradition religiöser Rituale nicht von heute auf Morgen bei allen Menschen „abgeschaltet“ werden kann.
Toten-Gedenkfeiern
In Wuppertal – wie auch in anderen Städten – werden jährlich im November seit langem Gedenkfeiern durchgeführt. Dazu werden alle Angehörigen der im zurückliegenden Jahr bei Trauerfeiern verabschiedeten Menschen noch einmal zu einer gemeinschaftlichen Gedenkfeier eingeladen, an denen hier in Wuppertal durchschnittlich ca. 30 Personen teilnehmen. Zu einer kleinen Festrede, bei der der Verstorbenen gedacht wird, gibt es Live-Musik, und auch hier ist die Symbolik einer Kerzenentzündung für jeden Verstorbenen ein beliebtes Ritual.
Feiern zum Jahreszeiten-Wechsel
Sonnenwend-Feiern werden auch heute noch häufig praktiziert, z.B. bei den Naturfreunden zum 21. Juni und zum 21. Dezember. Auch RiBeL hat mit seinem Winterfest an diese Tradition angeknüpft.
So konnten die weltlichen Sprecher (z.B. des HVD-NRW) in den vergangenen Jahren wirksam dazu beitragen, den Menschen religionsfreies Gedankengut nahezubringen. Und dabei erleben wir immer wieder, wie fasziniert die Menschen von weltlich-humanistischem Gedankengut und von der einfachen Erklärung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge sind.
Und nichts lieben die Menschen so sehr wie Feiern und Zeremonien – denn sie gehören seit Menschengedenken zum Leben dazu!
von Jürgen Köster, im März 2015